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Montag, 9. September 2019

Für das scheinbar Gute kämpfen - Das Robin-Hood-Syndrom


Wenn ein Urmensch von einem Feind überrascht wurde, schüttete sein Körper Adrenalin aus. Das Herz schlug schneller, die Atmung wurde beschleunigt und der Blutdruck stieg.
Der Mensch war im Modus “ready for fight or flight” bereit für Kampf oder Flucht. Wenn sich der Mensch für den Kampf entschied, gab ihm die Erregung riesige Kräfte und konnte zu Enthemmung führen, die ihn befähigte den Feind zu schlagen.
       Die Veranlagung (Disposition, Trieb) gegen Feinde mit grossem Engagement kämpfen zu können, sitzt tief in uns drin und war überlebensnotwendig. Wenn in einem Stamm der Wille zu kämpfen schwach war, ging er unter.
Wir leben im 21. Jahrhundert, aber die Veranlagung gegen Feinde zu kämpfen ist immer noch voll entwickelt.
In meinem Post "Frieden" vom Dezember 2017 beschrieb ich, wie in den letzten 3000 Jahren fast dauernd Kriege geführt wurden.  
       Weltweit 20 Kriege und 385 Konflikte hat das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung im Jahr 2017 gezählt.
         Die meisten Menschen wollen jetzt Frieden.
Es gilt aber auch:
"Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt."
Ab wann muss ein Staat, der völlig defensiv eingestellt ist, bei einem Konflikt sagen: So weit und nicht weiter?
Um dies konkret an einem aktuellen Konflikt zu veranschaulichen, eignet sich der Konflikt des Westens (USA/Westeuropa) mit Russland besonders gut.
1989 war die westliche Grenze der DDR die Grenze zwischen der NATO und der Sowjetunion. 2004 traten die Baltischen Staaten, Slowenien, die Slowakei, Rumänien und Bulgarien der NATO bei, damit rückte die Grenze der NATO nahe an die Grenze Russlands heran. Aber es ging 2008 noch weiter.
Jack Matlock, ehemaliger Botschafter in Moskau äusserte sich folgendermassen:"2008 entschloss die NATO, die Ukraine auf eine Spur zur Mitgliedschaft zu setzen. Ein in seinem Innern tief gespaltenes Land, direkt vor Russlands Tür."
Im September 2008 trafen die Ukraine und die EU eine Vereinbarung für ein Assoziierungsabkommen.
Dies weckte Ängste in Russland. Es begann Rebellen im Donbass zu unterstützen, dessen Bevölkerung überwiegend russlandfreundlich war. Und Russland annektierte die Krim. Mit welchen Argumenten kann Russland diesen Schritt rechtfertigen? Auf der Krim liegt Sewastopol, der wichtigste Hafen der russischen Marine am Schwarzen Meer. Die Krim wurde erst 1954 durch Beschluss des Obersten Sowjets der UdSSR der Ukraine zugeordnet. Bei Wahlen 1994 ging hervor, dass die Mehrheit der Krimbewohner russlandfreundlich ist. Die Wahlen von 2014 (nach der Annexion) wurden nur von Russland als gültig erklärt.
Um den Frieden zu sichern, sollte man sich immer bemühen, die Sichtweise des Feindes zu verstehen.
Was würde unter umgekehrten Vorzeichen geschehen, wenn Russland versuchen würde eine militärische Allianz mit Kanada und Mexiko zu organisieren? Die USA reagierten mit Recht heftig als Russland mit Kuba unter Fidel Castro eine Militärallianz abschloss.
Die Rüstungsausgaben aller 29 NATO-Staaten beliefen sich 2018  auf rund 963 Milliarden Dollar. Russland rüstet (auch wegen der Krise) ab und gab 61 Milliarden für Rüstung aus.
Kann Russland angesichts solcher Zahlen wirklich gefährlich sein?
Ist es gerechtfertigt, wieder mit dem Kalten Krieg zu beginnen?
Die Menschen haben seit sie Waffen tragen konnten immer Kriege geführt. Muss es im 21. Jahrhundert so weitergehen?
Oder gilt: Wer keine Feinde hat, sucht sich welche?
Oder: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns?
Russland ist sich bewusst, dass es dem westlichen Waffenarsenal nichts Ebenbürtiges entgegensetzen kann. Aus militärischer Logik ist es so verständlich, dass Russland wieder mit der atomaren Aufrüstung beginnt. Wollen wir in einem unter unglücklichen Umständen ausgelösten atomaren Krieg sterben?
Wäre es nicht besser, sich wieder in einer friedlichen Koexistenz zu arrangieren? Die osteuropäischen Staaten befürchten, dass Russland nochmals versuchen könnte, die dort lebenden russischen Minderheiten zu "beschützen". Könnte man nicht in einer Konferenz offen über solche Befürchtungen sprechen und Russland das Versprechen abringen, in Zukunft keine Grenzen mehr zu verschieben?
Man kann einwenden, dass russische Agenten Regimekritiker umbringen. Wir können das nicht hinnehmen. Aber erreichen wir mit Wirtschaftssanktionen und dem kalten Krieg wirklich etwas?
Wir haben nur eines erreicht: Es wird wieder aufgerüstet.
          Die Veranlagung mit grossem Engagement gegen Feinde kämpfen zu können/wollen ist nicht bei allen Menschen gleich stark ausgeprägt. Wer heute diesem "Trieb" folgen will, kann Gewalt-Computerspiele spielen, einem Fussball Fanclub beitreten oder sich einer links- oder rechtsextremen Gruppierung anschliessen.
Ob friedlich oder militant, wichtig ist der Widerstand. Dieser Spruch wurde von einer linksextremen Bewegung geäussert, könnte aber auch von einer rechtsextremen Gruppierung stammen.

Aus der Bereitschaft gegen Feinde zu kämpfen, entwickelte sich die Veranlagung auch gegen das Böse kämpfen zu können.
Linke Organisationen vermitteln ihren Anhänger die Überzeugung, dass sie gegen das Böse (den Kapitalismus) kämpfen und sich damit für das Gute einsetzen. Das ist für Jugendliche sehr verlockend und viele verfallen dem Robin-Hood-Syndrom.

Die bürgerlichen Jungparteien haben es da viel schwieriger. Sie müssen sich bemühen den besten Weg zu finden, auf dem die Marktwirtschaft gedeihen und gleichzeitig möglichst viele soziale Komponenten eingebaut werden können.
In einer Gruppierung, in der alle die gleiche Weltanschauung vertreten, fühlen sich die Gruppenmitglieder geborgen.
Das Wir-Gefühl trägt zu einem positiven Lebensgefühl bei. Alle sind gleichgeschaltet und können geeint gegen Andersdenkende kämpfen.

Häufig wird übersehen, dass das Gute für das gekämpft wird, nur vermeintlich gut ist und oft haben solche Engagements katastrophale Folgen. Beispiele beschrieb ich im Post "Das Problem mit den Gutmenschen" vom März 2018.



Ist Ideologiefrei auch eine Ideologie?

Häufig höre ich die Aussagen: Kein Mensch ist frei von Ideologien Ohne Ideologien gibt es kein Leben Wer behauptet, er habe keine Ideologie,...